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BelRAI im Dienst der integrierten Pflege: Erfahrungsbericht über ihre Anwendung im Rahmen von Protokoll 3

Was ist Protokoll 3 und wie spielt BelRAI darin eine Rolle?

Protokoll 3 ist eine Schlüsselinitiative zur Umgestaltung der Pflege von älteren Menschen durch die Entwicklung innovativer und wirksamer Alternativen im Rahmen eines vom LIKIV finanzierten und bis zum 31. Dezember 2024 gültigen Abkommens. Dieses Protokoll unterstützt 19 Projekte in ganz Belgien mit dem Ziel, vulnerablen älteren Menschen ein möglichst langes Verbleiben zu Hause zu ermöglichen und ihre Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung hinauszuzögern oder zu vermeiden.

Um diese Ziele zu erreichen, spielt das BelRAI Werkzeug eine entscheidende Rolle. BelRAI wurde zur Strukturierung der Daten der Pflegeempfänger sowie zur Optimierung der Koordination zwischen verschiedenen Berufsfachkräften im Gesundheitswesen entwickelt und ermöglicht somit einen integrierten und multidisziplinären Pflegeansatz. Als Beurteilungsinstrument ermöglicht es die Erfassung genauer Informationen sowie die Planung von Interventionen, die auf die spezifischen Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind.

Dieser Artikel beleuchtet die praktischen Erfahrungen mit der Anwendung von BelRAI im Rahmen von Protokoll 3 anhand des Erfahrungsberichts von Loïck Tonnelier, einem Ergotherapeuten, der an einem der unterstützten Projekte beteiligt ist, nämlich BRUSANO. Anhand seiner Erfahrungen und Beobachtungen in der Praxis soll der Artikel veranschaulichen, wie BelRAI in der alltäglichen Pflege von älteren Menschen angewendet wird. Dieser Erfahrungsbericht bietet einen wertvollen Einblick in die Herausforderungen und Erfolge, die er erlebt hat, und unterstreicht zugleich die tatsächliche Wirkung dieses Werkzeugs bei der Verbesserung der integrierten Pflege und der multidisziplinären Koordination.

Wie wird BelRAI im Rahmen von Protokoll 3 angewendet?

Das Protokoll 3 hebt BelRAI als wesentliches Werkzeug für die multidisziplinäre Pflegeplanung hervor. Im Abkommen heißt es, dass dieses Werkzeug dazu dient, die physischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse der Pflegeempfänger umfassend zu beurteilen. Dieser Ansatz ermöglicht die Erstellung eines koordinierten Pflegeplans zwischen den verschiedenen an der Pflege von Patienten beteiligten Berufsfachkräften im Gesundheitswesen. Die Rolle von BelRAI besteht daher darin, die Kontinuität der Pflege zu gewährleisten und zugleich den Informationsaustausch zwischen den Beteiligten zu erleichtern.

Loïck T. nutzt BelRAI ausschließlich im Rahmen seiner Tätigkeit im Projekt Protokoll 3 von BRUSANO. „Ich nutze BelRAI für die ersten Beurteilungen, wenn ich Pflegeempfänger in das Projekt aufnehme“, erklärt er.

Er berichtet jedoch, dass dieses Werkzeug zwar unverzichtbar ist, jedoch zeitraubend sein kann. „Das Erfassen der Daten für BelRAI Home Care kann bis zu zwei Stunden dauern, was in unserem hektischen Alltag manchmal schwer zu bewerkstelligen ist.“

Er weist zudem darauf hin, dass „die Anwendung von BelRAI oft auf die spezifischen Situationen von Protokoll 3 beschränkt bleibt.“

Warum ist das Ihrer Meinung nach der Fall?

„Außerhalb dieses Rahmens, insbesondere in Einrichtungen wie Alzheimer Belgique, wo ich ebenfalls tätig bin, sind nur wenige oder gar keine Fachkräfte im Umgang mit diesem Werkzeug geschult. Dies macht eine interdisziplinäre Koordination besonders schwierig, wenn nicht gar unmöglich.”

In multidisziplinären Teams ist die fehlende BelRAI-Schulung einiger Fachkräfte seiner Meinung nach einer der wichtigsten Faktoren, die die Einführung von BelRAI behindern.

Und wie steht es um die Wahrnehmung der Akteure vor Ort?

Darüber hinaus empfinden viele, sogar unter denen, die im Rahmen von Protokoll 3 arbeiten, BelRAI als ein komplexes Werkzeug, das mit zeitaufwändiger Dateneingabe verbunden und nicht immer für jeden Patienten geeignet ist. „Die Fachkräfte hören von BelRAI, zögern aber, es zu nutzen, weil sie die Anwendung als zu aufwändig empfinden“, gesteht er.

Dieser Mangel an Schulung und die isolierte Nutzung von BelRAI sind in Kontexten wie dem seiner Arbeit für BRUSANO besonders ausgeprägt.

Beeinträchtigt dies die interdisziplinäre Koordination?

Loïck T. erklärt uns, dass die Beurteilungen oft allein von ihm durchgeführt werden, eine interdisziplinäre Koordination sei somit nicht möglich. „Jeder Beurteilende arbeitet für sich allein“, sagt er, was die Einbindung eines multidisziplinären Teams erschwere und die Wirksamkeit des Prozesses einschränke.

Ein weiteres wichtiges Problem ist das Risiko einer Verzerrung beim Erfassen der Daten in BelRAI, insbesondere wenn dies schon beim ersten Besuch erfolgt. Er gibt zu bedenken, dass dadurch nicht genügend Informationen gesammelt werden können, vor allem bei Fragen, die einen Rückblick auf die letzten drei Tage erfordern.

Wie kann das BelRAI-Werkzeug genutzt werden, um einen multidisziplinären Ansatz in der Pflege älterer Menschen zu fördern?

Loïck zufolge wären Wohngemeinschaften für ältere Menschen eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden könnte. Dabei könnten die Instrumente von BelRAI zum Einsatz kommen, um einen multidisziplinären Ansatz zu fördern. So könnte etwa eine psychosoziale Einheit gebildet werden, die in der Lage ist, das Tool BelRAI-Screener anzuwenden und die Interventionen verschiedener Berufsfachkräfte im Gesundheitswesen zu koordinieren, um so eine umfassende und kohärente Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner sicherzustellen.

Was wären Ihrer Meinung nach die Hindernisse für diese Initiative?

„Das größte Hindernis ist nach wie vor der Zeitmangel, um umfassende Schulungen zu organisieren, die auf die Bedürfnisse der Fachkräfte zugeschnitten sind“, erzählt er uns. Zwar sei eine Schulung ab dem 15. September geplant, doch seiner Meinung nach seien Module notwendig, die sich auf das Wesentliche konzentrieren, um den Realitäten vor Ort besser gerecht zu werden.

Allerdings sind BelRAI-zertifizierte Ausbilder wie er verpflichtet, Schulungsinhalte bereitzustellen, die im Rahmen einer Vereinbarung mit dem FÖD Volksgesundheit festgelegt sind, was die Flexibilität und Anpassung der Module an den unmittelbaren Bedarf der Fachkräfte einschränkt.

Welcher Bedarf wäre in diesem Zusammenhang vorrangig?

Es besteht ein dringender Bedarf an kürzeren und angepassten Schulungen: „Die derzeitigen Schulungen sind langwierig und berücksichtigen nicht die Erfordernisse der Fachkräfte in diesem Bereich“, beklagt er. Er schlägt vor, kürzere, zertifizierte Module zu entwickeln, die es den Fachkräften ermöglichen, schnell auf wichtige Informationen zur Nutzung von BelRAI zuzugreifen und gleichzeitig zu vermeiden, dass diese Schulungen auf Kosten der Pflegequalität der beteiligten Fachkräfte gehen.

Wie könnte sich der künftige Interföderale Plan für Integrierte Pflege auf BelRAI auswirken?

Ihm zufolge bietet der künftige Interföderale Plan für Integrierte Pflege, der die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren im belgischen Gesundheitswesen stärken soll, eine einmalige Gelegenheit, BelRAI stärker in die Pflegepraxis zu integrieren.

Er sieht in diesem Plan eine Chance, die Nutzung von BelRAI zu verbessern, sofern die aktuellen Herausforderungen bewältigt werden. „Es ist unerlässlich, die Schulung der Fachkräfte zu verbessern und das Werkzeug zu vereinfachen, um es zugänglicher zu machen“, empfiehlt er.

Es gibt jedoch weiterhin Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung und den Zeitaufwand für die Weiterbildung von Fachkräften. Damit BelRAI die Ziele des Interföderalen Plans voll und ganz unterstützen kann, ist die Entwicklung von Modulen, die an die Erfordernisse der Akteure vor Ort angepasst sind, von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig muss die offizielle Anerkennung dieser Schulungen gewährleistet sein.

Fazit

Die Anwendung von BelRAI im Rahmen von Protokoll 3 offenbart sowohl ihre Vorteile als auch die Herausforderungen seiner Einführung in komplexen Umgebungen. Obwohl BelRAI ein wirksames Instrument zur Strukturierung der Pflege und Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit ist, wird sie von den Fachkräften auch als zeitaufwändig und anspruchsvoll empfunden, insbesondere aufgrund des Mangels an angemessener Schulung.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Schulungen angepasst werden müssen, um sie kürzer und gezielter auf die Bedürfnisse des Betreuungs- und Pflegepersonals auszurichten. Der vom FÖD Volksgesundheit vorgeschriebene Schulungsrahmen und die Wahrnehmung von BelRAI als aufwändiges Instrument verhindern deren breitere Anwendung, selbst in Kontexten, in denen es unverzichtbar ist, wie etwa bei Protokoll 3.

Initiativen wie die der Wohngemeinschaften zeigen jedoch, dass es möglich ist, BelRAI in neue Kontexte zu integrieren, indem man den Schwerpunkt auf Multidisziplinarität und Teambildung legt. Der künftige Interföderale Plan für Integrierte Pflege bietet zudem die Möglichkeit, die mit der Nutzung von BelRAI verbundenen Herausforderungen anzugehen und sie nachhaltig in die Pflegepraxis in Belgien zu integrieren.